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Austern in der Bretagne oder Kommunikation, ein Maskenspiel

Ein sehr lebhaftes abendfüllendes Theaterstück für vier Darsteller. Spielzeit ca. 90 Minuten.
eBook, ca. 61 Seiten, 7,99 EURO

Die Handlung spielt in einem Künstlerlokal mit besonderem Ambiente. Es gibt keine Tische, keine Stühle. Die Hauptakteure, drei Künstler, sitzen auf Leitern, wie auf Hühnerleitern und kommunizieren nach Künstlerart. Sie tragen Hahnenmasken. Wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht kämpft jeder gegen jeden. Die Hähne rücken auf ihren Leitern, je nach Gemütszustand, hinauf und hinab. Die Sitzhöhe veranschaulicht die jeweilige Verlierer- oder Gewinnersituation. Es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Es ist wie im wirklichen Leben. Mal ist der eine oben, mal der andere. Begleitet und dekoriert wird der Hahnenkampf von einer hübschen Dame. Sie bedient in diesem Lokal. Auch um sie ranken sich die Aktionen der kommunizierenden Herren. Das Spiel endet in einem Inferno.

Es geht in diesem Stück um das Gegenteil von Kommunikation. Es geht um dominantes Verhalten, um Unterwürfigkeit, um Anpassung und Taktieren. Es ist der Hahnenkampf unter Männern, der sich überall abspielt wo Männer einander begegnen. Nichts ist wirklich in diesem Stück. Alles ist Fassade, Schminke, Einbildung, Show. Vieles ist durchsichtig, nur imaginär vorhanden. Es gibt keine Gewinner und keine Verlierer. Es ist wie im wirklichen Leben. Mal ist der eine oben, mal der andere. Die dargestellten Personen in diesem Stück sind wie du und ich. Oder nicht?

AUS DEM INHALT:

Mit den Theaterbesuchern tritt eine hübsche Dame in den Zuschauerraum. Saloppe Frisur, ein modischer, die gute Figur betonender Mantel, Handtasche über der Schulter, Zeitschrift in der Hand. Sie stand mit den Theatergästen draußen und wartete auf Einlass. Sie geht auf die Bühne. Sie tritt, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, vor die gedachte Eingangstür, sucht nach dem Schlüsselbund in der Tasche, findet ihn, geht in die Hocke, versucht das Schloss des gedachten Sicherungsrollos aufzuschließen. Sie wechselt mehrmals den Schlüssel, murmelt, schimpft.

SYLVIA: Blödes Schloss. Gestern hat’s doch noch funktioniert. So etwas Dummes. Woran liegt das nur?
Schließlich funktioniert es. Sie bewegt den gedachten Rollo ein Stück nach oben, hat aber dann Probleme. Sie zieht, stemmt, stöhnt, bekommt ihn nicht weiter hoch. Sie schaut sich hilfesuchend im Zuschauerraum um, versucht es noch einmal, ohne Erfolg. Sie wendet sich an die Zuschauer.

SYLVIA: Kann mir mal jemand helfen? Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch.
Wenn niemand reagiert, spricht sie einen Herrn an, der in der ersten Reihe sitzt.

SYLVIA: Bitte, würden Sie vielleicht so lieb sein. Ich bekomme das blöde Ding nicht hoch. Bitte!
Sie macht das sehr lieb, aber eindringlich. Der Herr kommt auf die Bühne.

SYLVIA: Ein blöder Rollo ist das. Ich glaube, er klemmt.
Sie versucht es noch mehrmals ohne Erfolg, lässt dann den Herrn ran. Wenn er es schafft, ok. Wenn nicht, hilft sie mit. Es gelingt. Der gedachte Rollo wird hochgeschoben. Ein ganz dickes, liebevolles:

SYLVIA: Danke.
Ein flüchtiges Küsschen auf die den Zuschauern zugewendete Wange des Herrn. Der Lippenstift hinterlässt Spuren. Der Herr geht zu seinem Platz zurück. Sie sucht den passenden Schlüssel für das gedachte Türschloss, versucht es mit mehreren. Wieder hilfesuchender Blick ins Publikum.

SYLVIA: Ich bekomme das Schloss nicht auf. So etwas Dummes. Mein Gott, ist mir das peinlich.
Sie versucht es noch einige Male mit mehreren Schlüsseln, ohne Erfolg. Sie wendet sich wieder an den Herrn im Publikum.

SYLVIA: Würden Sie vielleicht noch einmal so lieb sein? Bitte. Das ist mir sehr unangenehm. Wirklich.
Der Herr kommt, erhält den Schlüsselbund.

SYLVIA: Einer passt. Ich bin ganz sicher. Das ging gestern noch ganz leicht.
Der Herr hat keine Probleme. Die Tür ist offen.

SYLVIA: Sie sind ein Schatz.
Sie umarmt ihn. Nimmt seine Hände, betrachtet sie bewundernd, liebkost sie mit ihrer Wange, betrachtet sie wieder.

SYLVIA: Sie haben goldene Hände. Wissen Sie das? Was die alles können. (Küsschen. Ein tiefer Seufzer)

SYLVIA: Vielleicht sehen wir uns nachher noch. Haben Sie Zeit? Ja? Schön. Tschüss. Bis dann.

Sie trippelt hinein, wirft Tasche und Zeitung auf die Theke der Bar, trippelt zum Spiegel an der Rückwand, schaut flüchtig hinein, korrigiert etwas an den Augenlidern, zieht den Mantel aus, hängt ihn an den Kleiderständer. Sie trägt einen Mini und ein luftiges Oberteil. Sie schaut nochmals kurz in den Spiegel, zupft am Mini, trippelt zur Bar, nimmt den Lippenstift aus der Tasche, trippelt zurück, zieht die Lippen nach, trippelt zur gedachten Eingangstür, wirft dabei den Lippenstift auf die Bar. Draußen vor dem ersten gedachten Fenster greift sie zur gedachten Kurbel der gedachten Markise. Sie kurbelt die gedachte Markise heraus. Dann die vor dem zweiten gedachten Fenster. Jedoch - die klemmt. Sie versucht es mehrmals. Zwischendurch einige hilfesuchende Blicke zu dem Herrn im Publikum. Bevor der jedoch heraufgekommen ist - ein Ruck und sie hat es geschafft. Sie schaut nach oben, so als wäre da etwas nicht in Ordnung, an der gedachten Markise. Sie reckt sich, kommt nicht dran, springt mehrmals. Wieder scheuer Blick ins Publikum zu dem hilfsbereiten Herrn.

SYLVIA: Oh bitte, wären sie vielleicht noch einmal so lieb? Bitte.
Der Herr kommt. Sie strahlt, trippelt ihm entgegen. Küsschen. Sie nimmt seine Hände bewundernd.

SYLVIA: Sind das Hände. Würden Sie mal?
Sie zeigt ihm, wie er die Hände verschränken soll, damit sie ihr als Leiter dienen. Dann zieht sie die Schuhe aus, versucht mit dem rechten Fuß hineinzusteigen. Kommt nicht hoch, dreht und zieht am Mini, versucht es mehrmals, bis sie es schafft. Sie hält sich sehr linkisch am Kopf des Herrn fest, bringt ihm dabei die Haare durcheinander. Sie werkelt an der gedachten Markise, bis sie zufrieden ist, steigt ab, umarmt den Herrn stürmisch. Mehrere Küsschen. Sie ordnet seine Haare, haucht ein:

SYLVIA: Bis nachher.
Sie schaut ihn verliebt an, wirft ihm Kusshände zu, zieht die Schuhe an, trippelt nach drinnen, nimmt einen Lappen, wischt, sich tief nach vorn beugend, an den Würfeln. Sie putzt den Spiegel, haucht dabei mehrmals auf die Spiegelfläche, reckt und streckt sich.

Derweil kommt ein verspäteter Besucher in den Zuschauerraum, ein eleganter Herr. Er hat den offenen grauen Mantel lose über den Schultern hängen, den Kragen hochgeschlagen. Er trägt eine helle Cordhose, ein grün kariertes Sakko, ein helles Hemd und eine grün karierte Fliege. Auf den Haaren sitzt eine große Sonnenbrille, von den Bügeln seitlich am Kopf gehalten. Während die junge Dame eifrig wischt schlendert der Herr, die Hände in den Hosentaschen, provozierend langsam im Zuschauerraum vor der ersten Reihe entlang. In der Mitte stehend ruft er sehr selbstbewusst in das Publikum hinein.

MIKE: Ist der Platz da noch frei? Diesen meine ich.
Er zeigt auf einen freien Stuhl in der Mitte der dritten Reihe, der vorher mit „Reserviert“ freigehalten wurde.

MIKE: Ist der noch frei? Ja? Schön. Würden Sie dann bitte eins rüberrücken? Sie meine ich. Bitte eins rüber. Nun rücken Sie doch schon. Wenn die ganze Reihe aufrückt, brauche ich mich nicht durchzwängen. - Danke.

Er geht zur Seite, schaut dabei zur Bühne. In der Höhe der gedachten Eingangstür reckt er sich. Die junge Dame beugt sich gerade sehr tief beim Staubwischen. Der Herr schmunzelt, wechselt mehrmals die Position um besser sehen zu können, steigt langsam hinauf auf die Bühne. Er steht vor den gedachten Fenstern und schaut nach oben zum Transparent, während die junge Dame eine der gedachten Fensterscheiben säubert. Sie haucht, wischt kreisförmig. Der Herr streckt den Kopf nach vorn und winkt. Sie nimmt ihn jetzt erst wahr, lächelt keck. Der Herr winkt mehrmals, geht dann zur gedachten Eingangstür. Sie steht offen.

MIKE: Darf ich eintreten schönes Kind? Ist das ein Lokal? Künstlertreff, hmm, sieht interessant aus, wirklich, interessant.

SYLVIA: Klar ist das ein Lokal. Aber ein besonderes, mein Herr. Eins für Künstler.

MIKE: Hmm, interessant. Ein Lokal für Künstler. Interessant. Was machen die denn hier. Vielleicht ...  Ist das ein Nachtlokal?

SYLVIA: Nein, mein Herr, wenn es auch manchmal ... Die Künstler betreiben Kommunikation bei uns. Gedankenaustausch, verstehen Sie? Happenings, Meetings, verstehen Sie?

MIKE: Soso, Kommunikation, Happenings, Meetings. Soso. Austausch. Dann ist das ja auch etwas für mich. Ich liebe ... die Kommunikation. Besonders, wenn sie so hübsch ist. Sehr interessant. Sie sind eine außergewöhnlich interessante junge Frau. Wissen Sie das?

SYLVIA: Bei uns verkehren nur interessante Leute. Künstler halt. Sind Sie auch Künstler, mein Herr?
Sie ist verlegen, zupft am Mini und am Oberteil.

MIKE: Das sehen Sie doch wohl, schöne Frau. Oder sieht man das nicht?

SYLVIA: Doch, natürlich. Wenn Sie Platz nehmen möchten. (sie weist zu den Würfeln, wischt noch einmal über einen) Bitte sehr. Sie sind der erste Gast heute. Aber in ein paar Minuten werden Sie in bester Gesellschaft sein. (Sie nimmt ihm den Mantel ab, hängt ihn an den Kleiderständer) Möchten Sie etwas trinken?

MIKE: Ja gerne. Was haben Sie denn für Biersorten?

SYLVIA: Eine Menge, mein Herr. Hunninger, Bitbacher, Klosterbrannt, Amstel-Neu, Bucks, Gimmes, Heinriken ...

MIKE: Ich nehme ein Gimmes.

SYLVIA: Oh, einen Moment noch. Das habe ich vergessen zu sagen.
Sie reckt sich über die Theke, greift nach einer bunten Hahnenmaske und reicht sie Mike.

MIKE: Was ist das?

SYLVIA: Das müssen Sie anziehen. Es ist bei uns so üblich. Herren tragen das. Es ist die besondere Note unseres Hauses. Es fördert die Kommunikation. Versuchen Sie es.

Mike steht auf, geht mit der Maske zum Spiegel.

MIKE: Wirklich ein besonderes Lokal. Ein besonderes Ambiente. Interessante Atmosphäre. Wenn die Gäste auch so sind.

Er probiert die Maske. Sie umschließt den Kopf, reicht bis auf die Schultern, lässt das Gesicht frei, wird unter dem Kinn zugeknöpft. Sie ist mit echten Hahnenfedern bestückt. Oben wackelt ein roter Hahnenkamm. Über den Augen des Akteurs schwebt ein großer gelber Schnabel. Mike dreht und wendet sich, zupft an sich herum, schneidet Grimassen im Spiegel, stolziert hin und her, betrachtet sich von allen Seiten. Ein Mann in schwarzem Mantel, mit schwarzem Künstlerhut, im Nacken ein Haarzopf, kommt gelassen vom Eingang her durch den Zuschauerraum. Er steuert direkt auf die Bühne zu.

SYLVIA: Oh, sehen Sie, der nächste Gast kommt. Das ist Frieder.

FRIEDER: Hallo, Sylvia. Wie geht‘s? (Küsschen links, Küsschen rechts) Du siehst gut aus mein Schatz. Wie immer. Oh, heute bin ich nicht der erste wie ich sehe.

Er geht sehr selbstbewusst auf Mike zu, streckt ihm die Hand entgegen. Der steht etwas verlegen da mit seiner Hahnenmaske.

FRIEDER: Ich heiße Frieder.

MIKE: Hallo, guten Abend, ich heiße Mike, eigentlich Michael. Aber Freunde nennen mich Mike. (Die beiden schütteln sich die Hände. Mike zeigt auf die Maske.) Muss ich das anbehalten?

FRIEDER: Natürlich. Wir Männer tragen diese Dinger. Das macht Laune. Sie werden sehen. Das ist ein besonderes Lokal.

Er zieht den Mantel aus, trägt darunter schwarze Hose, schwarzen Pulli, bunten Seidenschal, locker gewunden, keine Strümpfe, schwarze Slipper.

FRIEDER: Sie sind wohl das erste Mal hier?

SYLVIA: Ihr Gimmes, Herr Mike. (Sie stellt es auf einen Würfel, wendet sich an Frieder.) Für dich einen Cailluc, gut gekühlt, wie immer?

FRIEDER: Wie immer (Er greift sich selbst eine Hahnenmaske, zieht sie an.)

FRIEDER: Wollen wir es uns gemütlich machen Mike? Kommen Sie.
Er setzt sich auf einen Würfel. Mike nimmt sein Bier, setzt sich auf einen Würfel daneben.

MIKE: Wirklich interessantes Lokal, interessantes Ambiente. Das muss ich sagen. Ich bin froh, dass es so etwas jetzt für Künstler gibt. Wovon leben Künstler, wenn nicht von der Kommunikation. Kommuni...

FRIEDER: Apropos Künstler. Welche Art Künstler sind Sie, wenn ich fragen darf?

SYLVIA: Dein Cailluc, Frieder. Zum Wohl die Herren.

FRIEDER: Ich bin Designer, Grafiker, Videograph. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. Ich arbeite für eine auserlesene Klientel. Corporate identity, Imagine design. Ich nehme an, das sagt Ihnen was. (Er setzt einen zweiten Würfel auf, sitzt nun wesentlich höher als Mike.) Was sagten Sie? Welche Art Künstler ...? Übrigens, vielleicht kann ich einmal etwas für Sie tun. Hier meine Karte.

Er reicht seine Visitenkarte. Mike rückt verlegen auf seinem Würfel hin und her, betrachtet die Karte, dann reckt er den Oberkörper auf.

MIKE: Ja ... Ja ... Ja ... Fotograf bin ich. Fotograf. Livestile, Natural art. Ich nehme an, das sagt Ihnen was.

Sylvia sitzt auf zwei aufeinander gestapelten Würfeln an der Bar. Sie blättert in ihrer Zeitschrift, hat zum Lesen eine lustige farbige Brille angezogen, die Sie immer absetzt wenn Sie agiert. Sie hat ihr Handy und einen Kopfhörer aus der Tasche geholt. Sie hört Musik und feilt an den Fingernägeln. So beschäftigt sie sich während des gesamten Stücks.

FRIEDER: Soso, Fotograf sind Sie. Ja, Fotografen gibt's viele.

MIKE: Aber nicht viele die das machen was ich mache. Ich weiß keinen. Es ist ... Es ist ... Es ist eine Sache des Stils und der Intention. Nicht die Kamera macht Bilder. Es ist das Herz, das Engagement des Künstlers. Und es sind auch keine Bilder, meine Bilder ... Es ist ... Es ist ... (Er baut sich auch einen zweiten Würfel auf den ersten.)

MIKE: Es ist ... Seele. Jawohl, ich fotografiere Seele. Daraus entstehen Bildbände, keine Bilderbücher. Das sind Wertobjekte. Ich stelle mir selbst sehr hohe Anforderungen, das können Sie mir glauben. Zur Zeit ist mein Thema "Auf den Spuren vergangener Kulturen". Ich arbeite gerade ...

FRIEDER: Seele, interessant, sehr interessant. Oh, da kommt Guido.

Er springt auf, eilt zur Tür. Dort steht ein Mann in einer Weste aus Schafspelz, die Hände in den Hosentaschen. Locker und lässig steht er da. Auf dem Kopf hat er ein rundes, buntes gehäkeltes Käppchen mit Bommeln. Er trägt eine ockerfarbene Tuchhose mit Beintaschen und hohe weiche hellbraune Lederschuhe. Die beiden begrüßen sich überschwänglich, umarmen sich.

FRIEDER: Tritt ein, mein Freund. Schön dich zu sehen. Du siehst gut aus. Wie geht es dir? Sylvia, einen Drink für meinen Freund Guido.

SYLVIA: Tomatensaft Guido, wie immer?

GUIDO: Wie immer.

FRIEDER: Wie geht es der lieben Nicole? Dumme Frage. Wie soll es ihr gehen, bei deinen Qualitäten? Was machen die lieben Kinder? Sie sind doch so begabt. Üben Sie noch fleißig ...? Ach, übrigens das ist Mike. Er ist heute zum ersten Mal hier. Ein sehr interessanter Gast. Fotograf. Livestile, du weißt schon. Seele fotografiert er, wirklich sehr ...

MIKE: Gestatten, Mike, eigentlich Michael, Freunde nennen mich Mike. Fotograf, Livestile, Natural art, Bildbände, vergang...

GUIDO: Tag Mike. Ich heiße Guido. Ich bin Stammgast in diesem Etablissement. Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl in unserem Kreis.

Er hängt sein Käppchen an den Kleiderständer, betrachtet sich im Spiegel, ordnet die Haare, zupft an der Weste. Sylvia bringt ihm seine Maske, stellt den Saft auf einem Würfel ab. Guido steht breitbeinig vor dem Spiegel, zieht die Maske an, korrigiert den Sitz, betrachtet sich selbstgefällig.

GUIDO: Was wären wir Künstler ohne Kommunikation, sage ich immer. Von der Kommunikation lebt die Kunst, sage ich immer. Das brauchen wir wie die Luft zum Atmen, sage ich auch immer. Ist das nicht so? (Er schlägt Mike kräftig auf den Rücken. Der fällt fast von seinem Würfelturm.)

GUIDO: Was ist ein Fotograf ohne Kommunikation mit anderen Künstlern? Was? Ich sage es Ihnen. Nichts. Ein Möchtegernfotograf. Ein Möchtegernkünstler. Und davon gibt es viele. Hab’ ich Recht, Frieder?

Guido baut zwei Würfel übereinander, neben die linke Leiter, stellt sein Glas auf den obersten Würfel, nimmt auf Stufe vier der Leiter Platz. Er sitzt etwas höher als die beiden auf ihren Würfeln.

FRIEDER: Guido ist Dichter und Schriftsteller. Einer von den ganz großen. Wissen Sie? Er sieht das aber nicht so. Er ist halt bescheiden.

GUIDO: Hören Sie nicht auf ihn, er übertreibt. Was macht deine Kunst, Frieder? Hast du gut zu tun? Natürlich hast du gut zu tun, bei deiner Qualifikation. (An Mike gewendet.) Frieder ist ein großer Künstler. Ein ... Ein Kommunikationskünstler. Nicht war, Frieder? Was der macht, das macht der tausendprozentig. Das ist mehr als Begabung. Das ist ... Berufung. Nicht wahr, Frieder? Übrigens, der Professor ist nicht davon abzubringen eine Rezension für mein neues Buch zu schreiben. "Schatten in den Wäldern". Du weißt schon. Ich hatte ihm das Manuskript gegeben. Er sagt, es wird mein bestes. Du bekommst das erste. Wie immer. Frisch aus der Druckerpresse. Mit Widmung natürlich. Und für deine liebe Frau auch eins. Ich weiß wie ihr beiden euch freut.

FRIEDER: Danke Guido. Wir wissen das zu schätzen. Nicole schwärmt sehr für deine Bücher. Das weißt du ja. (An Mike gewendet.) Guido hat schon fünf Bücher veröffentlicht. Keine Romane, keine Schmöker - Literatur! Nicht wahr, Guido? Im Eigenverlag! Lyrik und Prosa! Nicht wahr Guido? Das sind Bücher! So was finden Sie in keiner Buchhandlung. (An Guido gewendet.) Ich denke immer noch, dein erstes ist dein bestes. "Werte im Fluss", nein, "Verflossene Werte", nein ...

(...)

GUIDO: Und Sie trinken jetzt brav Ihre Geistesnahrung. Der ist nicht hart. Das ist ein ganz weicher Atriumwhosky. Mein Gott, stinkt das hier. (Er schaut sich hilfesuchend nach Frieder um. Der kippt den dritten hinunter.) Komm mal her, riech mal. Ich glaube, der Herr ist am Verwesen. (Mike klammert sich an die Leiter.)

FRIEDER: (Kommt, hält sich die Nase zu.) Abscheulich. Das ist bestimmt Atriummief.

MIKE: Meine Herren. Meine Herren. Mäßigen Sie sich. Wo bleibt Ihre ...

GUIDO: Frieder, fass mal an. Der Herr Philosoph weigert sich seine Gehirnmedizin einzunehmen. Dabei ist es höchste Zeit. Der fault ja schon. (Frieder hält Mike die Arme hinter dem Rücken zusammen. Mike strampelt, protestiert.)

MIKE: Das ist Freiheitsberaubung! Lassen Sie mich los! Das ist ... Hände weg! Lassen Sie mich los! (Guido bindet ihm den Staublappen um den Hals.)

GUIDO: So, ein Lätzchen, damit dem schönen Atriumanzug nichts passiert. Hübsch brav sein. (Er hält Mike mit der linken Hand die Nase zu, drückt den Kopf nach hinten, gießt mit der rechten Hand den Whisky in Mikes Mund.) Hm. Das fließt. Das gibt Gehirnströme. Das macht frei. Sie werden sich nicht mehr wiedererkennen ohne ihren Atriummief. So. Das war brav. (Mike schüttelt sich.) Und nun noch einmal das Gleiche. (Das zweite Glas wird hineingegossen.) Sylvia noch eine Runde Geistesnahrung. Dem Herrn schmeckt es.

FRIEDER: Und wie es dem schmeckt. Der kann gar nicht genug kriegen. Aber erst große Klappe von wegen: Ich trinke keinen Whosky. Das paßt nicht zu mir. (Beide lassen los, ziehen sich lachend auf ihre Leitern zurück, Stufe vier. Mike reißt sich den Lappen ab und schimpft.)

MIKE: Pfui Teufel. (Er schüttelt sich.) Wissen Sie was das war? Das war ein Strafdelikt. Ich zeige Sie an meine Herren. Bitte Sylvia, rufen Sie die Polizei. Pfui Teufel. (Er reißt seine Maske vom Kopf, wirft sie in die Ecke. Auch Guido und Frieder entledigen sich ihrer Masken, lachen immer noch.)

GUIDO: Ja Sylvia, ruf nur die Polizei, sag hier sei ein armer Irrer, dem wir das Leben gerettet haben. Er wäre beinahe erstickt an seinem Gehirnmief. Die sollen einen Spezialanzug mitbringen. Sag Spezialbehandlung! Die kennen das.

FRIEDER: Ich glaube, es geht ihm nicht mehr so schlecht. Er sieht wieder richtig gut aus, findest du nicht auch? Schau nur die roten Bäckchen. Und die Luft ist auch schon besser. (Sylvia hat noch einmal alle Gläser nachgeschenkt. Mike sitzt motzend da. Frieder lallt.) A votre santé. Auf ihr Spezielles, Herr Mike. Und sind Sie uns nicht böse. Wir meinen es gut mit ihnen. Wenn Sie Ihr Flugzeug haben machen wir mal eine schöne Spritztour in die Bretagne. Du kommst doch mit Guido? Ich kenne da einen Fischer, der hat eine Austernzucht. Solche Dinger. (Er zeigt wie groß.) Solche Dinger. Wirklich Guido. Ich übertreibe nicht. (Er hat sich etwas aufgerichtet, lallt.) Solche Dinger. Und die schmecken, sag’ ich euch. Ganz frisch, natürlich mit Zitrone. Hmm. (Er schlürft, eine riesige gedachte Auster in zwei Händen haltend.) Da ist noch Meerwasser drin. Klasse. Ganz frisch. Meer ... Meer ... (Er schlürft wieder.) Und dazu einen Muskolet, schön gekühlt. Hmm.

GUIDO: (lallt) Sylvia, noch eine Runde.

(...)

MIKE: (schreit zu Guido hinüber) Ich wusste gar nicht dass Sie auch Pilot sind!

FRIEDER: (lallt) Das wusste ich auch nicht. Wohin fliegen wir?!

GUIDO: (brüllt zurück) Nach Frankreich! Wohin sonst?! Austern essen! Was sonst?!

Er legt sich in eine steile Rechtskurve. Die beiden machen mit, klammern sich aber an die Leitern.

MIKE: (schreit) Sylvia! Wir haben Fräulein Sylvia vergessen!

ALLE: Oh ja. Komm, Sylvia, flieg mit! ...

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Peter Wimmer


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Ich möchte
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oder Die Sache
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Der Souffleur

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der seinen Kopf
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Gute Nacht Lisa
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Ich lebe

Ich liebe

Ich denke

Puppenmacher

Hurra,
heute mauern
wir uns ein